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Wenn die Sicherung durchbrennt – Vom Umgang mit Pferden, die zum Durchgehen neigen

Viele Reiter haben vor dem Reiten im Gelände Angst. Angst davor dass das Pferd durchgehen und außer Kontrolle geraten könnte. Denn dann wird es unter Umständen gefährlich, für Pferd und Reiter. Viele wissen sich nicht anders zu helfen, als sich durch Hilfszügel und andere Ausrüstung ein vermeintliches Sicherheitskorsett zu schaffen. So wie auf unserem Titelbild zu sehen.


Das Pferd ist ein Fluchttier. Das Wissen um diese Tatsache sollte eigentlich selbstverständlich sein, und doch wird dies immer wieder vergessen, wenn ein Pferd – Überraschung! – sein Heil in der Flucht sucht.
Manchmal genügt eine an ungewohnter Stelle liegende Plane, manchmal ein Knacken in einem Gebüsch, manchmal reicht es schon, wenn eine aufgeregte Schafherde in den Reitweg einbiegt, um bei einem Pferd die Sicherung durchbrennen und es panisch davonstürmen zu lassen. Panisch bedeutet, dass der Reiter oder Pferdeführer jegliche Kontrolle über das Pferd verliert bzw. verloren hat.

Sowohl für den Reiter als auch für den Pferdeführer führt bei der Lösung des Problems kein Weg an der Auseinandersetzung mit der Individualität des Pferdes vorbei. Er muss mit Gefühl und Verstand herausfinden, ob das Pferd Widerstand gegen etwas leistet, krank ist, oder ob es wirklich Angst vor etwas hat oder hatte.

Selbst erfahrenen Reitern oder Pferdehaltern kann ein Pferd einmal durchgehen. Reagiert ein Pferd aber häufiger panisch, sollte unbedingt ein Tierarzt konsultiert werden, um Krankheiten als Hintergründe auszuschließen. So kann z.B. nachlassende Sehkraft das Verhalten des Tieres beeinflussen und es ängstlicher machen. Sind Krankheiten ausgeschlossen, führt der beste Weg zur Lösung des Problems über vorbeugende Maßnahmen. Vorausschauendes Agieren bzw. Reiten ist ein wichtiger Baustein, schon im Vorfeld ein Durchgehen zu vermeiden. Gleiches gilt für die fundierte Ausbildung des Pferdes, die es nicht überfordert. Wer seinem Pferd nicht mit Ruhe und Geduld die Chance gibt, zu lernen und sich mit Schwierigkeiten oder „furchteinflößenden“ Gegenständen und Situationen auseinanderzusetzen, sondern es gar mit Gewalt auf die Schnelle vorwärts- oder vorbeizwingen will, darf sich nicht wundern, wenn panisches Verhalten zur Gewohnheit wird.

Beim Reiten kann auch eine harte Zügelhand Panik beim Pferd bewirken. Grobe Zügeleinwirkung als Reaktion auf ein Scheuen des Pferdes und der damit verbundene Schmerz, können die eben noch kontrollierbare Angst verstärken. Wenn das Pferd dann dem Druck nach vorne zu entgehen versucht und sich im Gebiss festbeißt, ist der Weg zum Durchgehen nicht mehr weit.

Wie bei allen Problempferden können auch bei zum Durchgehen neigenden ängstlichen Pferden die Haltungs- und Fütterungsbedingungen das Verhalten beeinflussen. Ein Pferd, das nicht täglich Gelegenheit hat, Dampf in der freien Bewegung mit Artgenossen abzulassen, hat nun mal viel überschüssige Power, die irgendwohin muss. Für ein Pferd, das immer nur in der Halle geritten wird, scheint die Welt draußen voller Gefahren, wenn es einmal im Jahr ausgeritten wird, und ein Pferd, das wenig Bewegung hat und mit dem wenig gearbeitet wird, aber Kraftfutter erhält, als stünde es im Leistungssport, das sticht nun mal der Hafer.

Kommt es trotz guter Ausbildung, vorausschauendem Agieren und idealer Haltungs- und Fütterungsbedingungen zu einem Durchgehen des Pferdes, ist es in der Regel sinnlos, sich auf einen Kraftakt mit dem Pferd einzulassen – gegen die Macht der Angst ist mit menschlichen Körperkräften nichts auszurichten. Ob beim Reiten oder an der Hand besteht die einzige Chance darin, dem Pferd Raum für Bewegung zu lassen, damit es über die Bewegung seine Angst abbauen kann, und zugleich das schwierige Kunststück zu vollbringen, absolute Gelassenheit auszustrahlen, um aus der eigenen Balance heraus beruhigend auf das Pferd einzuwirken.

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